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FOCUS-MONEY | Nr. 45 (2022)
BÖRSENSTRATEGIE : SCHLECHTE ZEIT, GUTE ZEIT
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Samstag, 29.10.2022, 11:40

Der erfahrene Börsianer, Vermögensverwalter und Fondsmanager Peter E. Huber macht derzeit bei deutschen Aktien zahlreiche langfristige Kaufchancen aus. Ein Plädoyer gegen Pessimismus

US-Börsenlegende Warren Buffett gab Investoren einige Faustregeln mit auf den Weg, um ihr Vermögen zu vermehren. Zwei davon lauten: „Kaufe einen Dollar, aber bezahle nicht mehr als 50 Cent.“ Und: „Sei ängstlich, wenn andere gierig sind, und sei gierig, wenn andere ängstlich sind.“ Peter E. Huber, Fondsmanager beim Bad Homburger Taunus Trust, erinnert an diese zwei Aussagen, wenn er über seinen Fonds Huber Portfolio spricht. „Als an- tizyklischer und wertorientierter Investor“, wie er sagt. Dabei kann er 50 Jahre Börsenerfahrung und sein Wissen als Gründer und Vorstand der PEH Wertpapier AG sowie darauffolgend als langjähriger Vorstand des Vermögensverwalters StarCapital einbringen.

Die Gelegenheiten, auch an der deutschen Börse einen Euro für 50 Cent zu kaufen, dürften in der nächsten Zeit um einiges zunehmen. „Viele Aktien sind inzwischen überdurchschnittlich abgestraft“, meint Huber. Und die Stimmung bedarf aktuell wohl kaum eines Kommentars. Sie ist so im Keller wie seit der Finanzkrise vor 13 Jahren nicht mehr. Nach Buffetts Regeln ist es also langsam Zeit, sich auf die Käuferseite zu schlagen. Das meint auch der alte Börsen-Fahrensmann Huber: „Wir befinden uns dank der vielen Krisen in einem Umfeld, das zahlreiche langfristige Kaufchancen für deutsche Aktien eröffnet“, stellt er klipp und klar fest.

Die dunkle Grusel-Liste. Tatsächlich kumulieren die Gründe, die vor allem der Börse hier in Deutschland zusetzen: die weltweit mit höchsten Strom- und Energiekosten, insbesondere bei Gas. Unternehmen mit hohem Energieverbrauch können in Deutschland nicht mehr international wettbewerbsfähig produzieren. Der Anstieg der Erzeugerpreise erreichte im August und im September mit 45,8 Prozent gegenüber Vorjahr ein bis dahin nie gekanntes Niveau. Konsum- und Geschäftsklima sind in freiem Fall. Millionen private Haushalte befinden sich in einer prekären finanziellen Lage. Konjunkturell droht eine schwere Rezession. Gleichzeitig steht die Europäische Zentralbank (EZB) mit dem Rücken zur Wand, kann nicht helfen, sondern muss in dieser Situation die Zinsen erhöhen, um die Inflation nicht noch weiter anzuheizen. Und durch eine verfehlte Sanktionspolitik gegenüber Russland hätten wir uns endgültig den Ast abgesägt, auf dem wir sitzen, meint Huber. „Die deutsche Wirtschaft wird an die Wand gefahren“, befürchtet er.

Kaum besser sieht es für Europa aus. Selbst EZB-Präsidentin und Dauer-Optimistin Christine Lagarde schwant es inzwischen, dass die Finanzmärkte dies noch nicht alles verarbeitet haben könnten und vielleicht zu optimistisch auf die Konjunkturaussichten blicken. Das mache die Bewertungen dort anfällig für eine Bandbreite an möglichen negativen Überraschungen, sei es beim Wachstum, bei der Inflation, bei der Geldpolitik oder den Unternehmensgewinnen, warnt auch Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe. In den Kursen spiegelt sich dies wider. Deutsche Aktien sind bei den Investoren aktuell weitgehend unten durch. Das zeigt sich vor allem in der Dollar-Rechnung. Gemessen in der US-Währung, verlor der Dax-Index vom Jahreswechsel bis Mitte Oktober 2022 deutliche 36 Prozent gegenüber 26 Prozent beim europaweiten Stoxx-50 und knapp 19 Prozent beim amerikanischen Dow Jones. Selbst der japanische Nikkei-225 schlug sich trotz Yen-Crash, gemessen in Dollar, mit minus 29 Prozent besser als Deutschlands Parade-Index.

Die helle Kehrseite. Für Märktekenner Peter E. Huber ist diese Horrorbilanz kein Grund, nun noch in Panik zu verfallen. Im Gegenteil: „Jetzt fängt es für antizyklisch agierende Anleger an, interessant zu werden“, meint er. Vor allem zwei Gründe führt er dafür ins Feld: Die großen deutschen Konzerne sind in der Regel international tätig und haben Produktionsstätten in aller Welt. Sie können daher auf Widrigkeiten gezielt reagieren und stehen deshalb keineswegs so massiv im Feuer, wie der Blick allein auf aktuelle volkswirtschaftliche Kennzahlen glauben machen könnte. Die Aktien seien daher oft zu Unrecht so stark abgestraft.

Zudem profitieren exportorientierte Unternehmen in Deutschland von dem starken Dollar bzw. schwachen Euro, sofern sie nicht zu energieintensiv sind. Die Experten von Union Investment, Fondsgesellschaft der genossenschaftlichen Bankengruppe, rechnen aus diesem Grund sogar bei vielen Konzernen für 2022 mit spürbar besseren Ertragsausweisen, als sie die Börse noch im Frühjahr erwartete. „Die Dynamik bei den Gewinnerwartungen ist intakt“, so ihr Fazit.

Der erfahrene Börsianer Huber weist noch auf einen anderen Fakt hin, der das Auseinanderklaffen von Marktstimmung und tatsächlicher Lage belegt: Von Anfang 2000 bis Ende September 2022, also über die vergangenen gut 22 Jahre, hat der Dax-Kursindex ohne Dividenden rund acht Prozent verloren. „Gleichzeitig sind die ausgeschütteten Dividenden um 107 Prozent und die Unternehmensgewinne um 165 Prozent gestiegen“, rechnet Huber vor. Das Resultat sind im Moment Bewertungen, wie sie bisher nur zu den Kurstiefpunkten vorheriger Crashs wie im März 2020 (Corona), Anfang 2009 (Finanzkrise), im März 2000 (Platzen Dotcom-Blase) und im Oktober 1987 (Zinsschock) vorkamen (siehe Grafik Seite 9). In diesen vergangenen Krisen drehte die Börse danach regelmäßig wieder nach oben.

Historisch günstig

Gemessen sowohl am Kurs-Buchwert- Verhältnis wie auch am Shiller-KGV – Kurs zum durchschnittlichen Jahresgewinn je Aktie der vergangenen Dekade, das Ganze inflationsbereinigt –, sind deutsche Aktien so niedrig bewertet wie bisher nur auf dem Höhepunkt früherer Börsencrashs. Der Markt sollte damit viel Schlimmes bereits eingepreist haben.

Quelle: Taunus Trust

Mit den heutigen Niedrigstbewertungen sollte daher ein stärkerer Gewinneinbruch bei den Unternehmen weitgehend in den Kursen enthalten sein, schätzt Huber. Denn im aktuellen Kursniveau seien nicht nur bereits alle verfügbaren Informationen drin, sondern auch die Erwartungen der Marktteilnehmer hinsichtlich der weiteren Entwicklung. Zudem solle man berücksichtigen, dass Aktiengesellschaften relativ gut mit hoher Inflation zurechtkommen, wenn sie über entsprechende Preissetzungsmacht verfügen.

Eine Nachrechnung der Union Investment beim amerikanischen S&P-500-Index zurück bis ins Jahr 1928 bestätigt das. Demnach lag bei Inflationsraten zwischen eins und fünf Prozent die Wahrscheinlichkeit für eine negative Aktienmarktentwicklung bei maximal einem Viertel, meist aber deutlich weniger. Das heißt, in 75 Prozent und mehr der Fälle reagierte der S&P-500 positiv. Erst bei einer Teuerung von dauerhaft mehr als fünf Prozent glich sich das Verhältnis aus. Als Feind der Börse erwies sich über diese 95 Jahre nicht die Inflation, sondern die Deflation. „Die Aktienkurse trotzen Inflation und Geldpolitik“, so das Fazit der Union-Analysten.

Auch was die aktuelle Zinsfurcht angeht, die an den Anleihenmärkten phasenweise zu crashartigen Rückschlägen führte, dürfte nach Hubers Meinung nichts so heiß gegessen werden ,wie es gekocht wurde. Vor allem in Europa kann die EZB die Inflation eher wohl nur halbherzig bekämpfen, weil sie sonst Staatspleiten und den Fortbestand des Euro riskiert.

Die Gelegenheit nutzen. Für seinen Fonds (siehe Seite 11) zieht der Geldmanager daraus die Konsequenzen. Er ist dabei, Positionen in offensichtlich unterbewerteten deutschen Titeln „antizyklisch“ schrittweise aufzubauen. Ein Vorgehen, das er auch Anlegern ans Herz legt: schrittweise deswegen, weil keineswegs sicher ist, dass trotz der niedrigen Bewertungen der Börsentiefpunkt bereits erreicht ist. Denn sehr oft enden Baisse-Phasen mit einem größeren Paukenschlag wie einem deutlichen Anstieg des Volatilitätsindikators (Vix oder VDax), einem Unfall wie zum Beispiel der Pleite eines großen Unternehmens oder einem breiteren Ausverkauf bei stark steigenden Umsätzen. Solche letzten Mosaiksteine fehlten noch, meint Peter E. Huber. „Das alles wären wünschenswerte Hinweise, aber nicht notwendigerweise Voraussetzungen dafür, dass der Börsentiefpunkt erreicht ist.“

Denn auch ohne einen solchen letzten Schlag sei das Chance-Risiko-Verhältnis schon heute auf lange Sicht sehr positiv. „Eine der erfolgreichsten Anlagestrategien besteht darin, in einer Rezession niedrig bewertete Value-Aktien einzusammeln“, erinnert der erfahrene Börsianer. Warren Buffett sah das ähnlich. „Unsicherheit ist der Freund von Langfrist-Investoren“, lautete auch dessen Credo.

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